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Re:Re:Re:Re:Re:Re:Kettenline / Kettenschräglauf      Inge Wiebe  31.07.08   12:56:55
Lieber Jens Buttenschön und alle Forumsleser,

natürlich interessiert sich Utopia dafür, sogar im Urlaub (den wir seit 26.7.haben).
Aber halt auf die uns eigene, gründliche Art. Ähnlich ist es bei Rohloff:

Gut Ding braucht gut Weil - schreibt Barbara Rohloff, als sie uns gestern den Bericht
zur Untersuchung geschickt hat. Auf die Ergebnisse sind natürlich alle in diesem
Thread Engagierten gespannt.

Wir haben die Antwort unterteilt: 
1. Warum Kette und Ritzel von Jens Buttenschön so schnell verschlissen sind und
was die Schleifspuren am Gehäuse bedeuten.
Das kommt hier.

2. Was diese - auch für uns sehr interessante - Untersuchung an allgemeinen
Informationen für Utopia Räder ergibt.
Das kommt im folgenden Beitrag von Ralf Klagges.


zu 1. zitiere ich aus dem Bericht von Rohloff

Befund: 
Kette : Auffällig ist hier das stark unausgewogene Verschleißbild.
Die Verschleißzone Lagerkragen-Bolzen hat mit 0,06 mm erst 60% des zulässigen
Wertes von 0,1mm erreicht.
Die Verschleißzone Lagerkragen-Rolle ist mit 0,25 mm vier mal so groß wie die
Verschleißzone LB.
Hier gilt als maximale Verschleißgrösse LR <= 1,5 LB (in diesem Fall also 1,5 * 0,06
mm = 0,09 mm).

Ritzel : Der Zahnflankenverschleiß betragt gleichmäßig über alle Zähne 0,8mm.
Die Zahnköpfe hängen 0,2 mm haifischzahnartig über. Zulässig sind hier 0 mm.

Die Bewertung:
Ein unausgewogenes Verschleißbild, wie es hier vorliegt, verursacht eine stark
ungleichmäßige Teilungsverlängerung der nach außen wirkenden Rollenteilung von
Innen- und Außengliedern. Das Ablaufen der Kette ist dann nur mit starken
Korrekturbewegungen und Pressungen der Rollen auf den Zahnflanken möglich.
Dies verursacht einen progressiven Verschleißverlauf der Kette und des Ritzels.

Kette : Das hier vorliegende Verschleißbild kennen wir von KMC-Z Ketten durch
unsere Prüfstandsläufe. Es stellt sich immer dann ein, wenn diese Ketten mit hohen
Pedallasten (>50kg) gefahren werden. Ketten dieser Art erreichen
zufriedenstellende Kilometerleistungen nur, wenn die Leistungsübertragung
mit niedrigen Pedallasten (ca. 25 kg) und entsprechend höherer Kurbeldrehzahl
erfolgt.

Ritzel : Die stark verschlissenen Zahnflanken des Ritzels erklären sich durch die
ungleichmäßige Rollenteilung der Kette. Die Laufspuren im Rollenbett weisen darauf
hin, dass zumindest kurzzeitig mit zu stark gespannter Kette gefahren wurde. Eine
zu hohe Kettenspannung beschleunigt den Verschleiß von Ritzel und Kette.

Nabengehäuse : Auf dem Foto sind deutliche Schleifspuren am Gehäuse zu sehen.
Diese erklären sich aus dem Verschleißzustand der Kette.
Presst man die Kettenrollen in das Rollenbett des verschlissenen Ritzels, verbleibt
bei dieser Kombination nur noch ein Spalt von 0,15 mm. Das ist eine ganz knappe
Sache, und mit ein wenig Schmutz dazwischen kommt es zwangsläufig zu
Laufspuren.
Diese stellen jedoch keinerlei Gebrauchseinschränkung dar und sind in dieser
Größenordnung technisch absolut unbedenklich.

Zum Kettenschräglauf : Herr Buttenschön hat seinen Kettenblatt-Abstand mit 48
mm vermessen.
Dadurch ergibt sich eine Abweichung von 54mm - 48mm = 6 mm.
Daraus resultiert ein Kettenschräglauf von 0,76°.
Wir selbst halten Kettenschrägläufe bis 1° für zulässig. Da der Schräglauf hier nicht
wie bei einer Kettenschaltung von links nach rechts wechselt, können sich alle Teile
auf diesen Schräglauf einlaufen.

Zur Kettenschmierung :  Eine Fahrradkette stellt ganz besondere Anforderungen an
den Kettenschmierstoff. 
Die tragenden Kontaktstellen der Gelenkflächen sind sehr klein ( > 10qmm). Die
Flächen arbeiten unter hohen Druck. Während z.B. im Automotor Lagerdrücke von
ca. 10 N/qmm herrschen, ergibt sich in den Kettengelenken beim lockeren
Herumradeln mit z.B. 20 kg Pedaldruck eine Flächenpressung von 40N/qmm. 
Im Wiegetritt kann diese schnell bis über 250 N/qmm ansteigen. 
Beim Ein und Auslaufen der Kettenglieder in das Kettenblatt bzw. aus dem Ritzel
drehen die Gelenke nur mit kleinen Schwenkbewegungen (ca. 8° bei z 46 | ca. 24°
bei z 15). Dabei dringt Wasser und Schmutz in die Gelenke ein.

Um unter diesen ungünstigen Bedingungen eine Wirkung zu erzielen, gilt allgemein:
• Dünnes Öl (z.B. Motorenöl 15W40/ Nähmaschinenöl) ist besser als kein Öl
• Dickes Öl (z.B. Getriebeöl EP80W90) ist besser als dünnes Öl
• Am besten jedoch sind Kettenschmierstoffe die speziell auf den Einsatz in
Fahrradketten optimiert sind, wie z.B. "Oil of Rohloff“.

Fazit : Der Teufel steckt wie immer im Detail.
Klares Ergebnis: Unsere KMC Kette entspricht nicht dem Fahrstil von Herrn
Buttenschön. Hohe Pedallasten (über 50kg) bei niedriger Kurbeldrehzahl verträgt sie nicht.
Das war uns so bisher noch nicht bekannt und ist auch in den letzten Jahren nicht
aufgetreten. (Wer schafft das schon!) Wir werden zukünftig darauf hinweisen.
Unsere Räder können ja für unterschiedliche Ansprüche auch unterschiedlich
ausgestattet werden.

Kettenspannung war zu stark. Davor warnen wir bereits, werden es noch intensiver machen.

Der Kettenschräglauf liegt im zulässigen Bereich, dadurch gab es also keine
Beeinträchtigung. (Dazu mehr im folgenden Beitrag von Ralf Klagges.)

Bei der Kettenschmierung bitten wir die Fahrerinnen und Fahrer, nur die
speziellen Kettenschmierstoffe zu nehmen. (Warum, wurde von Rohloff ja sehr gut erklärt.)

Das Gute an der ganzen Geschichte ist:
Jetzt wissen wir alle mehr und können uns entsprechend darauf einstellen.

Viel Freude an dem herrlichen Sommerwetter wünscht
Inge Wiebe
 



 

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  Re:Re:Re:Re:Re:Kettenline / Kettenschräglauf  biker_rudi  02.08.08  22:06:14 
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  Re:Re:Re:Re:Re:Re:Re:Re:Re:Kettenline / Kettenschräglauf  Dieter Tietz  01.08.08  15:12:19 
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  Re:Re:Re:Re:Re:Re:Re:Re:Kettenline / Kettenschräglauf  Ralf Klagges  31.07.08  20:54:59 
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  Kettenline / Kettenschräglauf  Jens Buttenschön  20.07.08  13:08:32